Was ist Autismus?

Autismus zeigt sich in vielen Facetten, weshalb man inzwischen den Begriff Autismus-Spektrum gewählt hat, um sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen zusammenfassen zu können.
Es handelt sich jedoch immer um eine andere Art, Dinge wahrzunehmen, zu verarbeiten und auf diese zu reagieren, sozusagen um ein anderes „Betriebssystem“.
Die Kernsymptome zeigen sich in einer Beeinträchtigung der sozialen Fähigkeiten, der Kommunikation sowie in sich wiederholenden Verhaltensweisen.
Darüber hinaus weisen viele autistische Menschen Besonderheiten in der sensorischen Wahrnehmung auf, beschäftigen sich intensiv mit Spezialinteressen und sind motorisch ungeschickt.

Entnommen aus einem Text von Stefanie Meer-Walter
Diagnose "Autismus"
Autismus-Spektrum-Störungen sind „Tiefgreifende Entwicklungsstörungen“ und in der aktuellen ICD 10 (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems),  den Diagnosekriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO), unter F 84  als medizinische Diagnosen definiert. Es wird zwischen „Frühkindlicher Autismus“ (F 84.0), „Asperger-Syndrom“ (F 84.5) und „Atypischer Autismus“ (F84.1) unterschieden. Die Unterscheidung fällt in der  Praxis jedoch immer schwerer, da zunehmend leichtere Formen der einzelnen Störungsbilder diagnostiziert werden. Daher wird heute der Begriff der „Autismus-Spektrum-Störung“  (ASS) als Oberbegriff für das gesamte Spektrum autistischer Störungen häufig verwendet.
Merkmale
Die Merkmale des frühkindlichen Autismus zeigen sich bereits vor dem 3. Lebensjahr und in drei Bereichen besonders deutlich:
  • Im sozialen Umgang mit Mitmenschen,
  • in der Kommunikation
  • in sich wiederholenden und stereotypen Verhaltensweisen.
Besonderheiten im Umgang und in der Kommunikation mit Mitmenschen
Menschen mit Autismus können soziale und emotionale Signale nur schwer einschätzen und haben ebenso Schwierigkeiten, diese auszusenden. Die Reaktionen auf Gefühle anderer Menschen oder Verhaltensanpassungen an soziale Situationen sind selten angemessen. Deutlich eingeschränkt ist auch das Imitationsverhalten von Menschen mit Autismus, was Auswirkungen auf die Entwicklung des „So tun also ob”- Spiels und des nachahmenden Spieles hat.

Im Bereich der Kommunikation sind die Entwicklung des Sprachgebrauches und des Sprachverständnisses gleichermaßen betroffen. Dadurch sind wechselseitiger Gesprächsaustausch, Flexibilität im Sprachausdruck und in der Sprachmelodie ebenso wenig ausgeprägt wie die Ausprägung begleitender Gestik, durch welche die sprachliche Kommunikation betont oder ihr Sinn unterstrichen werden würde.
Besonderheiten im Verhalten
Die Besonderheiten im Verhalten sind charakterisiert durch eingeschränkte, sich wiederholende und stereotype Verhaltensmuster, Interessen und Aktivitäten. Alltägliche Aufgaben werden starr und routiniert ausgeführt. Kinder können darauf bestehen, bestimmte Handlungsroutinen in bedeutungslos erscheinenden Ritualen auszuführen. Es können sich ständig wiederholende Beschäftigungen mit Daten, Fahrrouten oder Fahrplänen ergeben. Motorische Stereotypien, wie Schaukeln, Wedeln, Kreiseln von Dingen sind häufig zu beobachten ebenso wie ein außergewöhnliches Interesse an Teilaspekten von Objekten (z.B. wie diese riechen oder sich anfühlen). Menschen mit Autismus können große Probleme mit Veränderungen von Handlungsabläufen oder Details der persönlichen Umgebung (wie etwa Veränderungen der Dekoration oder der Möbel in der Wohnung, Veränderung der Kleidung, etc.) haben und zum Teil sehr stark auf diese Veränderungen reagieren.
Besonderheiten in der Wahrnehmung und der Verarbeitung von Umwelt- und Sinneseindrücken
Neben diesen Besonderheiten in der sozialen Interaktion und im Verhaltensrepertoire betroffener Menschen, haben Betroffene große Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung und der Verarbeitung von Umwelt- und Sinnesreizen. Sehr schnell können Sie in die Situation einer Überladung mit Sinneseindrücken kommen.
Psychische Begleitstörungen und Probleme
Neben diesen Merkmalen neigen Menschen mit Autismus häufig auch noch zu einer Reihe weiterer psychischer Begleitstörungen, wie übergroße Befürchtungen, Phobien, Schlaf- und Essstörungen sowie herausforderndes Verhalten in Form von Wutausbrüchen und fremd- oder selbstverletzenden Verhaltensweisen. Die meisten Menschen mit Autismus lassen Spontanität, Initiative und Kreativität vermissen. Sie haben Schwierigkeiten, Entscheidungen zur Bewältigung einer Aufgabe zu treffen auch wenn die Aufgabe kognitiv zu bewältigen wäre.
Prognose und Perspektive
Die Merkmale autistischer Störungen ändern sich mit zunehmendem Alter. Im Erwachsenenalter, mit weitgehend gleichbleibenden Voraussetzungen in der Sozialisation, der Kommunikation und den Interessen, bleiben sie jedoch bestehen. Ebenso sind sie in ihrer Zusammensetzung und ihrem Ausprägungsgrad von Person zu Person unterschiedlich. Autismusbedingte Beeinträchtigungen können zwar häufig gebessert oder kompensiert aber nicht geheilt werden. Die meisten Menschen mit Autismus benötigen aufgrund der umfassenden Beeinträchtigungen eine lebenslange Hilfe und Unterstützung, deren Grad wiederum sehr unterschiedlich sein kann. Autismus ist unabhängig vom Intelligenzniveau, jedoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Intelligenzminderung erhöht.
Häufigkeit
Es liegen leider keine genauen Angaben zur Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen in Deutschland vor. Die untenstehenden Zahlen beziehen sich daher auf Untersuchungen in Europa, Kanada und den USA.
Häufigkeit von Autismus-Spektrum-Störungen 
Alle Autismus-Spektrum-Störungen:6-7 pro 1000
Frühkindlicher Autismus:1,3-2,2 pro 1000
Asperger-Autismus:1-3 pro 1000
Andere tiefgreifende Entwicklungsstörungen:3,3 pro 1000
Trotz umfangreicher Forschungsergebnisse hat sich bislang noch kein umfassendes Erklärungsmodell herausgebildet, das vollständig und schlüssig die Entstehungsursachen autistischer Störungen belegen kann. So unterschiedlich sich die ursächlichen Faktoren für das Syndrom bisher darstellen, so vielfältig und jeweils an den Bedürfnissen des Einzelnen ausgerichtet sind auch die pädagogischen und therapeutischen Ansätze.